Witterungsübersicht Winter 2019/20
Der Oktober 2019 verlief in den Südalpen ausgesprochen sonnig und mild. Besonders die zweite Oktoberhälfte brachte am Berg Temperaturen, wie sie eher für Ende August typisch sind. Aufgrund der sehr geringen Luftfeuchtigkeit und der relativ langen Beschattung des Eiskars durch die Obere Kellerwand dürften sich die Schmelzraten in dieser Zeit aber schon in Grenzen gehalten haben. Mit Ende Oktober 2019 schlug das Wetter schließlich um. Eine erste Kaltfront samt Mittelmeertief sorgte für etwas Neuschnee im Eiskar. Die Periode vom 2. bis zum 20. November 2019 zählte schließlich zu einer der niederschlagsreichsten der letzten Jahrzehnte. Mehrere Mittelmeertiefs sorgten für teils extrem starke Niederschläge entlang der Karnischen Alpen. Im gesamten November summierten sich an der Messstation des Hydrografischen Dienstes beim Plöckenhaus mehr als 1000mm Niederschlag auf. Während die ersten 100 bis 200mm im Eiskar noch als Regen fielen, lag die Schneefallgrenze in weiterer Folge immer unter 2000m. Dadurch kamen am südlichsten Gletscher Österreihs alleine im Novemeber 2019 mindestens 8m Neuschnee zusammen.
Nach einer etwas ruhigeren Wetterphase Anfang Dezember schneite es in den Karnischen Alpen knapp vor Weihnachten nochmals ergiebig. Im Eiskar brachte der Dezember 2019 nochmals rund 2m Neuschnee, sodass sich die Neuschneesumme im November und Dezember 2019 auf rund 10m belief!
Der Beginn des Jahres 2020 sollte aber genau gegenteilig verlaufen. Die Monate Jänner und Feber brachten keine nennenswerten Neuschneemengen im Eiskar. Erst Anfang März schneite es in den Karnischen Alpen wieder ergiebig. Binnen weniger Tage kamen im Eiskar 1,5 bis 2m Neuschnee zusammen.
Diese Schneefälle Anfang März sollten aber auch schon das Ende der winterlichen Akkumulationsperiode darstellen. Bis Ende Mai kam es zu keinen weiteren nennenswerten Schneefällen im Eiskar.
Der April verlief auf den Bergen um 3K zu warm und brachte auch im Eiskar teils schon deutlich positive Temperaturen. Aufgrund der geringen Luftfeuchtigkeit und der nordseitigen Exposition des Gletschers blieben die Schmelzprozesse im Gegensatz zu den sonnseitigen Hängen aber noch gering.
Im Mai 2020 gab es einen raschen Wechsel von milderen und relativ kühlen Perioden, die Niederschläge im Eiskar fielen aber zu einem großen Teil als Regen oder Schneeregen. Die letzte Maiwoche brachte dann mit einem Kaltluftvorstoß aus Norden kühle Temperaturen. Wiederholt sankt die Lufttemperatur in der Nacht deutlich unter 0°C und auch tagsüber lagen die Höchstwerte bei teils bedecktem Himmel nur knapp über dem Gefrierpunkt. Dadurch wurde der Schmelzprozess für gut eine Woche unterbrochen. Gerade Ende Mai, wenn die Tage schon sehr lange sind, stellen solche kühlen und eher trüben Witterungsphasen eine wichtige "Erholungsphase" in der beginnenden Schmelzsaison dar.
In Summe verlief das Winterhalbjahr 2019/20 fast spiegelverkehrt zu jenem des Vorjahres. Auf einen extrem schneereichenr Frühwinter (November und Dezember 2019) folgte eine trockener Hochwinter und ein eher niederschlagsarmer Spätwinter. Der Frühwinter 2018 war dem gegenüber sehr trocken und erst Anfang Feber sowie im April und Mai 2019 kam es zu ergiebigen Schneefällen im Eiskar.
Die Unterschiede bei der Schneehöhe zwischen diesen beiden Wintern sind zwar nicht so groß, bei der Schneedichte zeigt sich jedoch das spiegelverkehrte Niederschlagsregime eindeutig. War der Schnee im Eiskar Anfang Juni 2019 extrem weich, so ist die Schneedichte heuer aufgrund des frühwinterlichen Schneefalls deutlich höher.
Für die nun so richtig beginnende Schmelzsaison lässt dies (außer bei außergewöhnlicher Witterung) ein deutlich langsameres Abschmelzen der Winterschneedecke als im Vorjahr erwarten.
Wie in den letzten Jahren wurde auch heuer wieder an 21 Punkten die Schneehöhe sondiert. Dazu hatte das Arbeitsteam eine 12m lange Lawinensonde mit. Im Gegensatz zum letzten Jahr stellte sich das Sondieren wieder deutlich anstrengender dar. Der Schnee vom Frühwinter war teils stark verfestigt, sodass es nicht immer klar war, ob man nur auf eine eingelagerte Eisschichte, auf die Gletscheroberfläche oder die den Gletscher bedeckende Schuttschicht gestoßen war. Der Vergleich mit den letzten Jahren zeigt aber, dass man an den meisten Punkten doch eine plausible Abschätzung der Schneehöhe ermitteln konnte.
Durch das weitgehende Fehlen von Schneefällen im Hoch- und Spätwinter sowie einige Saharastaubepisoden präsentierte sich das Eiskar Ende Mai 2020 schon relativ "dreckig".
Mit einer durchschnittlichen Schneehöhe von 6,6m liegt heuer etwa 1m mehr Schnee als im Mittel der letzten 10 Jahre (5,5m). Letztes Jahr betrug die Schneehöhe Anfang Juni 6,2m, Anfang Juni 2018 waren es 6,1m.
Die größten Schneehöhen wurden im Bereich des Eisscheitels mit 11,3m gemessen; hier liegt um fast 3m mehr Schnee als im Vergleich zu den letzten Jahren. Überraschend viel Schnee liegt im östlichen Gletscherteil. Obwohl dieser Bereich kaum von Lawinen erfasst wird, wurden Schneehöhen von bis zu 6m gemessen. In der Gletscherzunge wurden hingegen etwas geringere Schneehöhen als erwartet erreicht. Die mächtigen frühwinterlichen Lawinen könnten über den gesamten Trog der Gletscherzunge hinweggefahren sein und zumindest einen Teil des Lawinenschnees unterhalb der Gletscherzunge abgelagert haben.
Im Bereich des Wandfußes liefern sowohl die Messwerte als auch die subjektiven optischen Eindrücke das Bild einer kompakten und mächtigen Schneedecke, welche im Mittel fast 1m mächtiger ist als die Durschnittswerte der letzten Jahre.
Der Winter 2019/20 brachte eine während der letzten Jahren nicht beobachtete Niederschlagsverteilung. Die frühen Schneefälle im November und Dezember sorgten für eine kompakte Unterlage für die sommerliche Schmelzsaison. Für die Winterbilanz sind gerade diese frühen Schneefälle sehr wichtig, da der Schnee im weiteren Winter stark kompromiert wird und Anfang Sommer bereits eine hohe Dichte aufweist. Während der Schnee des Spätwinters 20019 im darauffolgenden sehr warmen Sommer 2019 rasch abgeschmolzen ist, dürfte der Schnee des Winters 2020 heuer deutlich langsamer abschmelzen und somit den Gletscher vor der sommerlichen Ablation für relativ lange Zeit schützen.